Energiewende geht nur dezentral

Mit einem offenen Brief wenden sich die N-ERGIE und etliche Stadtwerke an die Bundestagsabgeordneten.

Die Energiewende wird von uns seit Jahren mit Taten vorangetrieben. Hohe dreistellige Millionenbeträge wurden in den letzten Jahren alleine von uns und den mitunterzeichnenden Stadtwerken der europäischen Metropolregion Nürnberg (EMN) hierzu investiert. Diese Investitionen waren erforderlich, um die zehntausenden von Anlagen zur Erzeugung von
erneuerbaren Energien sicher in das Energiesystem zu integrieren sowie die Wärmewende in den urbanen Zentren und den ländlichen Regionen als auch die Verkehrswende hin zu einer nachhaltigen Mobilität voranzutreiben. Diese Maßnahmen tragen erheblich zum Klimaschutz
und dem Erreichen der Pariser Klimaziele bei, zu denen wir uns ausdrücklich bekennen. Dabei gewährleisten wir eine erstklassige Versorgungssicherheit, die im weltweiten Vergleich Spitze
ist und die einen ganz wesentlichen Standortfaktor für Industrie und Gewerbe darstellt.
Auch in Zukunft arbeiten wir für die Klimaschutzziele, übernehmen Verantwortung und sind bereit, zentrale Investitionen zum Gelingen der Energiewende zu leisten. Denn Energiewende fand bisher vor Ort statt und wird auch zukünftig vor Ort stattfinden. Dort entscheidet eine
Vielzahl von Akteuren – Stadtwerke mit ihren Kommunen, Gewerbebetriebe, Bürger*innen – über die Investitionen in Erneuerbare sowie nachhaltige Wärme- und Mobilitätslösungen.
Stadtwerke stimmen sich hierbei eng mit den Kommunen vor Ort ab und schaffen so Akzeptanz. Da die Energiewende dezentral erfolgt, heute vor Ort geschieht und dort ihre Zukunft hat, sind genau hier die zentralen Stellschrauben zu justieren. Doch ohne den passenden Rechtsrahmen kann Energiewende nicht gelingen!
Wir nehmen daher mit großem Erstaunen und auch Enttäuschung wahr, dass weder die Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) noch die Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes (BBPIG) die für eine erfolgreiche Energiewende erforderlichen Rahmensetzungen
widerspruchsfrei und im nötigen Tempo auf den Weg bringen. Ganz im Gegenteil – beide Novellen stehen inhaltlich weitgehend zusammenhangslos nebeneinander, Wechselwirkungen
sind nicht berücksichtigt, ein sektorenübergreifender Ansatz findet nicht ernsthaft statt und in Summe werden die für eine erfolgreiche Energiewende so wichtigen Akteure vor Ort deutlich
geschwächt. Der gemeinsame Kern beider Novellen ist der Stromnetzausbau, der in Folge dieser Novellen in gewaltigen Dimensionen auf allen Stromnetzebenen bevorsteht. Alternativen
zum Stromnetzausbau bleiben weitgehend unberücksichtigt. Kosten-Nutzen-Abwägungen technisch vorhandener Alternativen erfolgen aus für uns unverständlichen Gründen nicht.
Wir befürchten, die Folgen dieser Novellen werden sein, dass alleine im Stromverteilnetz der unterzeichnenden Stadtwerke in der vor uns liegenden Dekade zusätzlich ein hoher dreistelliger
Millionenbetrag investiert werden muss, um im Wesentlichen die für Süddeutschland charakteristische mittägliche „PV-Erzeugungsspitze“ über das Stromnetz abtransportieren zu können. Dies erfolgt an rund 50-60 Tagen des Jahres an rund fünf bis sechs Stunden. D. h.
diese zusätzlichen Investitionen sind im Wesentlichen erforderlich, um für rund 4 Prozent des Jahres Strom zu transportieren. Intelligentere und zukunftsorientierte Alternativen hierzu – wie etwa die Integration von Speichern in das Energiesystem – werden in den beiden Novellen
beharrlich ausgeblendet. Die Netzentgeltsystematik benachteiligt zudem die Verteilnetzebene beim Eigenkapitalzins, der Spielräume für Innovationen geben sollte. Entsprechend fehlen auch bei der Ausbauplanung des Stromübertragungsnetzes alternative Lösungsansätze, die anstelle maximalen Ausbaus smarte Systemlösungen erlauben würden,
mit denen das Wechselspiel mit anderen Sektoren in allen Netzebenen in Umsetzung kommt.
Wird der aktuelle Weg mit starker Fokussierung auf Netzausbau weiter beschritten, wird sich der so dringend erforderliche Zubau der Erneuerbaren mangels aufnahmefähiger Infrastruktur
im Stromverteilnetz zudem um Jahre verzögern. Denn die Erneuerbaren, die Ladepunkte für Elektromobilität sowie Wärmepumpen werden nahezu vollständig auf den Verteilnetzebenen und eben nicht auf der Übertragungsnetzebene angeschlossen. Ist der Netzausbau im Verteilnetz und über das Bundesbedarfsplangesetz im Übertragungsnetz dann erfolgt, werden die hierfür in Deutschland investierten dreistelligen Milliardenbeträge über die Netznutzungsentgelte im Wesentlichen auf die Haushalte und den gewerblichen Mittelstand umgelegt, so dass
dort signifikante und nachhaltige Kostenanstiege für die Verbraucher zu erwarten sind. Diese hohen Folgekosten sind von diesen auf Jahrzehnte zu tragen. Für alternative Investitionen in subsidiäre Strukturen des Ausgleichs im Stromnetz mit dem weiteren Energiesystem, müssen
dann immer noch entsprechende zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Damit verbunden ist ein weiterer ganz wesentlicher Kritikpunkt: Der Stromnetzausbau liefert keinerlei relevanten Beitrag zur Dekarbonisierung des Wärmemarktes, wodurch – aufgrund der
schieren Größe des Wärmemarktes – die Klimaschutzziele sicher verfehlt werden. Unsere Erwartung an einen guten Rechtsrahmen ist, dass er energiesystemisch angelegt ist, die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Sektoren berücksichtigt und hierdurch unnötige
Infrastrukturinvestitionen vermeidet. So kann die Bezahlbarkeit von Energieversorgung auch zukünftig für den gewerblichen Mittelstand und die privaten Haushalte gesichert werden. Gelingt
dies nicht, sehen wir die so dringend benötigte dauerhafte Akzeptanz der Energiewende und des Klimaschutzes in großen Teilen der Bevölkerung gefährdet. Das kann nicht Ziel politischer Entscheider sein!
Wir bitten Sie als unsere Vertreterin daher, Ihr politisches Mandat im Sinne kostengünstiger, zukunftsweisender Lösungen zu nutzen. Dies bedeutet zumindest der Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes in vorliegender Form nicht zuzustimmen. Setzen Sie sich stattdessen
dafür ein, dass zeitnah ein Rechtsrahmen in Kraft gesetzt wird, der sektorenübergreifend und systemisch ausgerichtet ist. Widersprüchliche, nebeneinanderher laufende Gesetzgebung
bringt uns nicht voran. Ist sie einmal verabschiedet, wird der Korrekturbedarf enorm und
kostspielig.