Stromtrassen – Milliardengräber der Energiewende ?!

Bürgerinitiative hatte zum Fachvortrag „Dezentralität als Zukunftsmodell“ eingeladen

Weil im Süden alle Atomkraftwerke bis 2022 abgeschaltet werden sollen, braucht Bayern angeblich Windstrom aus dem Norden. Dafür sollen neue Übertragungsstromleitungen gebaut werden, so die landläufige Meinung in weiten Teilen der Politik, Medien und  Bevölkerung.

Dass dies nur Phrasen um ein Milliardengeschäft für die Übertragungsnetzbetreiber sind, stellte einmal mehr Rainer Kleedörfer eindrucksvoll in seinem Vortrag „Dezentralität als Zukunftsmodell“ dar.
Kleedörfer ist Prokurist und Leiter Zentralbereich Unternehmensentwicklung/Beteiligungen bei N-ERGIE AG, den Stadtwerken Nürnberg.

Vertreter aus Stadt- und Landkreis vor Ort

Im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal, lauschten den Ausführungen von Kleedörfer
viele Kommunalpolitiker, darunter der Landratskandidat Lothar Zachmann (CSU), 1. Bürgermeister Ulrich Werner und 2. Bürgermeister Dieter Wagner in Bergrheinfeld, der Kreisrat Hans Fischer (SPD) der auch im Vorstand der ÜZ plus Energiegenossenschaft ist, Stadträtin aus Schweinfurt Dr. Ulrike Schneider (Initiative „Zukunft“), sowie Norbert Dotzel (stellv. Vorsitzender der Freien Wähler im Kreis Schweinfurt) waren gekommen um sich zu informieren. Vertreter der „Bürgerinitiative A7 Stromtrasse NEIN“, der „Bürgeraktion Müll und Umwelt“ Schweinfurt, des „Bund Naturschutz Schweinfurt“, der Grünen, des Bauernverbandes, Gemeinderätinnen und -räte aus Bergrheinfeld, sowie zahlreiche Bürger aus Stadt und Landkreis Schweinfurt waren ebenso anwesend.

„Bergrheinfeld sagt NEIN“ stellte sich vor

Norbert Kolb, 1. Vorsitzender und Sprecher der Bürgerinitiative, moderierte die Abendveranstaltung.

Zunächst stellte Kolb die Arbeit der Initiative, die seit November 2013 besteht, vor und beschrieb in seiner kurzen Einführung die bisherigen Belastungen für das Gemeindegebiet durch die Stromnetzinfrastruktur mit über 170 Strommasten, über 70 Hektar überspannten Flächen und 2 Umspannwerken mit zusammen ca. 20 Hektar.

Weiter beschrieb er aufgrund der aktuellen Netzausbauplanungen (SuedLink und P43) die zusätzlich zu befürchtenden Belastungen für Mensch, Tier und Natur durch einen europäischen Netzknotenpunkt.

Kosten – Nutzenverhältnis klafft weit auseinander

Der geplante Netzausbau, so Kleedörfer, führt laut dem aktuell vorliegenden Netzentwicklungsplan (NEP 2030/2019) zu Kosten von über 95 Milliarden Euro. Weitere 5 Milliarden Euro sollen zusätzlich benötige Anlagen zur Blindleistungskompensation kosten.
Damit haben sich die Kostenschätzungen, für diesen Ausbau der Übertragungsnetze, laut den jeweiligen NEP`s innerhalb der letzten 3 Jahre nahezu verdreifacht.
Kleedörfer hält dadurch eine Strompreiserhöhung von 30 Cent pro Kilowattstunde für möglich.

Fragwürdig ist auch die Definition von erforderlichem Netzausbau. Dieser gilt als gegeben, wenn voraussichtlich in einer Stunde im Jahr die Leitung mit 20 Prozent ausgelastet ist.

Skandalös ist dabei, dass die Investitionen der Netzbetreiber (TenneT, Amprion, 50 Hertz und Transnet BW) in den Stromnetzausbau mit einer gesetzlich garantierten Eigenkapitalrendite von 6,91 Prozent vergütet werden.

Kleedörfer stellte anhand der Situation bei den Stadtwerken Nürnberg dar, wie es derzeit um die aktuelle Versorgung durch die dezentralen Versorgungsstrukturen in der Metropolregion Nürnberg aussieht. Die N-ERGIE als regionales Versorgungsunternehmen liegt derzeit bei 60 Prozent Eigenversorgungsrate für den Strombereich.

Kleedörfer sprach Speicher-Technologien wie Power-to-Gas an, die als notwendige Bausteine die Energiewende erst ermöglichen.

Netzausbau – kein effektiver Klimaschutz

Der Netzausbau, so Kleedörfer, wird im Hinblick auf europäische Stromflüsse geplant.  Hier wird den deutschen Bürgern nicht die Wahrheit gesagt!
Kleedörfer ergänzte noch, dass die Bundesnetzagentur bestätigt hat, dass die geplanten Netzausbauvorhaben nicht für die Versorgungssicherheit in Deutschland notwendig sind.

An den Terminmärkten der Strombörsen bieten Kraftwerke ihren Strom zu „Grenzkosten“ – praktisch nur die Brennstoffkosten – an, egal wie dreckig (Braunkohle) oder gefährlich (Atomkraftwerke) die Erzeugung ist. Auch egal, wo der Strom erzeugt und abgenommen wird. Die Kosten für Transportverluste und Stromleitungen zahlen vor allem Bürger, Handwerker und mittelständische Betriebe. Hier ist eine Reform durch die Politik schnell erforderlich!

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass „Dunkelflauten“ (= kein Wind, keine Sonne) meist ganz Deutschland betreffen, sodass Windstrom aus dem Norden gar nicht in den Süden fließen kann. Hier helfen (im Süden Deutschlands) nur Speicher, Kraft-Wärme-Kopplung und bestehende Gaskraftwerke. SuedLink hilft bei Dunkelflauten nicht weiter! SuedLink könnte Strom nur weiterleiten, aber nicht speichern.

Lösungen mit „grünem Gas“ ?

Herr Kleedörfer führte aus, dass der notwendig Klimaschutz und die Versorgungssicherheit kein Widerspruch sind. Würde man Erzeugungsspitzen (ca. 3 Prozent der elektrischen Arbeit – kWh) von Windkraftanlagen abregeln und die Verteilnetzleitungen mit Temperaturmonitoring überwachen, so würde das nur ein „Butterbrot“  im Vergleich zum geplanten Übertragungsnetzausbau kosten. Vielleicht auch nur das Butterbrotpapier allein.

Allerdings müssen dafür Photovoltaik und Windkraft schnellstens massiv ausgebaut werden. Dann kann man mit dem „überschüssigen“ Strom mit Power-to-Gas-Technologien „grünes Gas“ (Wasserstoff, Methan) herstellen und im bestehenden Erdgasnetz zwischenspeichern. Das wäre auch für die Sektorenkopplung nutzbar.

Der Energieinhalt beträgt 970 Terawattstunden (TWh). Damit könnte man auch lange Dunkelflauten überbrücken.

Hier muss die Bundesregierung und der Bundestag die nötigen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen.

Scharfe Kritik an den Netzbetreibern beim Vorgehen zum Netzausbau SuedLink

Norbert Kolb erläuterte dass Tennet/Transnet BW, vertreten durch das Planungsbüro Mühlfeldt und Partner in Stuttgart, derzeit Grundstücksbesitzer anschreibt, um Untersuchungen auf der von den Netzbetreibern vorgeschlagenen Vorzugsvariante der SuedLinktrasse durchzuführen.

Dieses Vorgehen ist, solange die aktuell andauernde Bundesfachplanung noch nicht abgeschlossen ist, rechtswidrig und sollte auf keinen Fall geduldet werden – so Kolb.

Ergänzend fügte Jürgen Hermann von der Bürgerinitiative „Thüringer gegen SuedLink“  hinzu, dass dies auch in Thüringen und Hessen bereits läuft und auch die Bürgerinitiativen dort zum Betretungsverbot aufgerufen haben.

Auch die anwesenden Landwirte und Grundstücksbesitzer haben dieses Vorgehen scharf kritisiert. Das passe zum Bild das man von TenneT & Co habe.

Rege Diskussion – Forderung nach Infoveranstaltung im Kreistag Schweinfurt

Viele Besucher, auch Herr Zachmann und die Vertreter des bayerischen Bauernverbandes, haben erkannt, dass die behauptete Notwendigkeit von SuedLink ein Mythos ist. Aussagen wie „der Windstrom muss vom Norden in den Süden“ oder auch „ohne Leitungsausbau gehen in Bayern die Lichter“ sind definitiv falsch.

Zachmann lud Kleedörfer spontan ein, den Vortrag bei der CSU-Fraktion des Kreises Schweinfurt zu halten. Kleedörfer sagte sofort zu, diese Einladung Anfang 2020 anzunehmen. Norbert Dotzel bat darum, den Vortrag im Kreistag Schweinfurt zu halten, damit alle Kreisräte diese wichtigen Informationen erhalten können. Kleedörfer würde das machen, wenn er eine entsprechende Einladung erhalten würde.

Die Diskussion zeigte auch vielfach Unzufriedenheit beim Umgang dieses Themas bei den politisch verantwortlichen auf allen Ebenen.

Es wurde der Vorwurf laut, das sich diese einseitig informiert werden und sich viel zu sehr auf Aussagen von TenneT oder auch der Bundesnetzagentur verlassen haben, ohne inhaltlich die Sachlage zu prüfen. Lothar Zachmann, wie auch der 1. Bürgermeister Ulrich Werner entgegneten, dass Kommunalpolitiker viele Aufgaben und Entscheidungen wahrzunehmen haben und dass das Thema der Energiefragen eines unter vielen ist.
Dem widersprach die anwesende Stadträtin Dr. Ulrike Schneider (Initiative „Zukunft“) energisch und mahnte an, dass es sehr wohl ein Verschulden der politisch Verantwortlichen ist, wenn die zukunftsträchtigsten Themen Klimaschutz und Energiefragen als eines von vielen Themen gesehen wird.

Die Lippenbekenntnisse der Politik in Veranstaltungen wie heute sind sehr vielversprechend, so Schneider weiter, zu oft werden diese aber durch Lobbyverbundenheit der hohen Politik und das Verfolgen der eigener Karriere, auf Kosten der sachbezogenen Auseinandersetzung nicht erfüllt.

Nachhaken bei der CSU zur Unterstützung der Bürgerinitiative gegen überzogene Netzausbauplanungen

Harald Walter, Mitstreiter in der Bürgerinitiative seit der ersten Stunde, stellte zunächst fest, dass ein von der Bürgerinitiative Bergrheinfeld Mitte 2019 gestellte Antrag im Landratsamt zur Unterstützung der Arbeit gegen die überzogene Netzausbaumaßnahmen, in einer Ausschusssitzung im September mit Mehrheit der CSU abgelehnt wurde. Dies sei für die Bürgerinitiative ein fatales Signal von Seiten der CSU gewesen, so Walter weiter. Dieser Kritik schloss sich auch Armin Wahler, BBV Vorsitzender in Bergrheinfeld an und griff die CSU für diese ablehnende Haltung scharf an.

Norbert Kolb ergänzte hierzu, dass die Enttäuschung groß und das Vertrauen in die politisch Verantwortlichen hierdurch massiv gesunken ist.

Walter fragte nun nach warum die CSU die Arbeit zum Schutz unserer Heimat nicht unterstützen wollte und ob Herr Zachmann, Möglichkeiten sieht unsere Anliegen zur Unterstützung der intensiven Arbeit, mit den heute gewonnen Kenntnissen nochmals zu erörtern bzw. der BI Unterstützung zukommen zu lassen. Zachmann versicherte, dass er sich in der CSU Fraktion im Januar 2020 dafür einsetzen werde, dass der Antrag nochmals aufgegriffen wird und dass er sich persönlich dafür einsetzen wird, dass die BI entsprechende Unterstützung erfährt.

Die Arbeit gegen überzogene Netzausbauvorhaben wird im neuen Jahr fortgesetzt

Am Ende versprach der Sprecher der BI, Norbert Kolb, das die Arbeit der Bürgerinitiative auch im neuen Jahr 2020 an den Themen zur Verhinderung der überzogenen Netzausbauvorhaben durch dezentrale Lösungsansätze, Umwelt und Naturschutz fortgesetzt wird und weiterhin Veranstaltungen wie diese Info- und Diskussionsveranstaltung angeboten werden.

Bereits für Januar steht ein Treffen mit Landrat Florian Töpper an und auch weitere länder- und bundesübergreifende Treffen zur Zusammenarbeit.

Zum Abschluss wünschte Kolb allen frohe und besinnliche Weihnachtstage, sowie ein gutes und gesundes neues Jahr.