Dezentral ist Optimal

„Nicht ansatzweise das Bewusstsein, die Klimaziele zu schaffen“ erkennt Josef Hasler bei den Regierenden in Bund und Land. Mit seinen Ideen zur dezentralen Energieversorgung meint der Vorstandsvorsitzende der Nürnberger N-ergie AG, die richtigen Lösungen parat zu haben. Und für diesen Konfrontationskurs steht er auch öffentlich ein. So letzte Woche bei einer gut besuchten Veranstaltung im Nürnberger Uhrenhaus Sandreuth. 

Haslers Konzept von vernetzten dezentralen Energiezellen fußt ein gutes Stück auf der Theorie vom „Zellularen Ansatz“. Den haben Fachleute der Energietechnischen Gesellschaft im Technologieverband VDE vor ein paar Jahren entwickelt. Und die N-ergie hat dieses Energie-Zellsystem auf das Gebiet der Main-Donau-Netzgesellschaft MDN heruntergebrochen. MDN und N-ergie seien fast die einzigen gewesen, die den revolutionären „Zellularen Ansatz“ begriffen hätten, lobt nun die VDE-ETG in ihrer gerade erschienenen Fortsetzungsstudie.

Diese baut auf der ersten Arbeit auf. Deren fundierte, zentrale Aussage hatte gelautet: „Mit Energiezellen brauchen wir nur knapp die Hälfte des Netzausbaus.“ Doch Bundesnetzagentur und Übertragungsnetz-Betreiber ÜNB planen bis heute ohne Rücksicht auf diese VDE-Expertise. Dieses Beharrungsvermögen ruft seit einigen Jahren Bürgerinitiativen (BI) auf den Plan. Gerade in Nordbayern sind diese sehr aktiv, haben sich zum Beispiel zusammengeschlossen im „Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse“ (ABSOT), das heuer fünfjähriges Bestehen feiert. 

Die BIs stellen sich aber nicht nur gegen diese Hochspannungs-Gleichstromübertragungs-Trasse (HGÜ) im Besonderen und „überdimensionierten Netzausbau“ im Allgemeinen: Das Bündnis fordert gleichzeitig „eine dezentrale Energiewende“. Darin ist sich ABSOT auch mit dem Bund Naturschutz in Bayern (BN) einig. 

Dass nun ausgerechnet ABSOT zu jener Veranstaltung im Uhrenhaus des Versorgers N-ergie einlud, muss demnach nicht verwundern. Eher schon die Tatsache, wie deutlich sich Josef Hasler, immerhin auch Sprecher der Bayerischen Sektion des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), auf die Seite der Trassengegner und Naturschützer stellte. Nur an einem Punkt sind sich die beiden Seiten nicht einig: Während N-ergie-Chef Hasler „Gasturbinen echte Partner der Erneuerbaren“ nennt und dabei vor allem auf Erdgas als Treibstoff setzt, sehen hier die „Anderen“ Power to Gas (P2G) und andere Speicherformen als Ausgleich für die Spitzen der Sonnen- und Windkraftwerke an. 

Doch wie Hasler erkennen auch sie bei den Regierungen keinerlei ernsthaften Willen, die im Pariser Abkommen wiederholt vereinbarten Welt-Klimaziele zu erreichen. „Statt 2,5 Gigawatt (GW) Wind- und Solar-Zubau pro Jahr hätte die GroKo 2013 auch schreiben können: Wir wollen keine Energiewende“, fasste zum Beispiel Gastredner Daniel Bannasch die Kritik knapp zusammen. Und mit dem Vertrag zum Kohlekompromiss habe der Bund diesen Nicht-Wende-Willen zuletzt sogar nochmals verstärkt, so Bannasch. „Photovoltaik (PV) wird bekämpft. Und am Ende bleibt nur das Gas. Das ist keinen Deut besser als Kohle“, meinte der Geschäftsführende Vorstand von MetropolSolar Rhein-Neckar e.V. aus Mannheim. 

Doch wie kann man den fehlenden politischen Willen lösen? „Selbst in die Politik gehen, damit wir nach der Kommunalwahl eine Energiewende-Revolution bekommen“, schlug Richard Mergner vor, Bayerns BN-Vorsitzender. Bekanntlich werden im Frühjahr 2020 im Freistaat die Kommunalparlamente neu gewählt. Wenn mehr Mitglieder von BIs darin säßen, hätten mehr dezentrale Energie und weniger Leitungen bessere Chancen, will Mergner damit sagen. Außerdem solle man die Weißblaue Koalitionsregierung in die Pflicht nehmen: „Die Energiewende steht im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern drin“, erinnerte der BN-Chef an fast wieder Vergessenes.  

Diesen Punkt hatte auch ABSOT-Sprecherin Dörte Hamann herausgestellt: „Von einer konstruktiven bayerischen Energiepolitik mit Wertschöpfung vor Ort sind wir leider noch weit entfernt.“ Gemeinsam mit ihrem Kollegen Hubert Galozy rief sie deshalb auf, weiter Flagge zu zeigen und überall so genannte „Trassenkreuze“ aufzustellen. 

Auch bei den Erörterungsterminen zur HGÜ „Wolmirstedt – Isar (SuedOstLink)“. Die laufen seit wenigen Tagen im östlichen Nordbayern; die Bundesnetzagentur hat diese Veranstaltungen unter das Motto gestellt: „Stromnetze sicher gestalten.“ Doch für N-ergie, BN und ABSOT dient auch diese neue Leitung vor allem dazu, Kohlestrom aus Norddeutschland abzutransportieren. Richard Mergner forderte deshalb in Nürnberg mit deutlichen Worten zum Widerstand auf: „Zusammenschließen. Immer wieder sagen, wir wollen Teil der Lösung sein. Und nerven, nerven, nerven.“ Viel Kopfnicken im Saal und lauter Applaus allerseits.