Experten und Bevölkerung gemeinsam gegen SuedLink

Hochkarätige Podiumsdiskussion positioniert sich gegen weitere Stromtrasse und Folgepläne

Gerald Höfer, Geschäftsführer der Main-Donau Netzgesellschaft (MDN) des kommunalen Netzbetreibers N-Energie, und Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN (BUND Naturschutz in Bayern) und Vorsitzender des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), waren die hochkarätigen Referenten auf einer Podiumsdiskussion in Bergrheinfeld, zu der die Bürgerinitiative „Bergrheinfeld sagt NEIN zu SuedLink und Folgeprojekten“ – eine Initiative aus dem BBV Bergrheinfeld, der Jagdgenossenschaft Bergrheinfeld, der Flurbereinigungsgenossenschaft Bergrheinfeld gemeinsam mit interessierten und aktiven Bürgern aus Bergrheinfeld eingeladen hatte. Rund 300 Kommunalpolitiker, Bürger, Landwirte und andere Betroffene waren der Einladung gefolgt. Überregionale und regionale Medien berichteten über die Veranstaltung, die unter dem Motto „Nachhaltige Energiepolitik: Fake oder Wahrheit?“ stand.

 Es braucht keine weiteren Stromtrassen

Beide Hauptreferenten waren sich einig, dass es keine weiteren Stromtrassen braucht .
Dies wurde auch in den Berichten von „Bayerischem Landwirtschaftlichen Wochenblatt“ und „Schweinfurter Tagblatt“ so dargestellt. Höfer und Weiger sprachen sich einmütig für dezentrale Lösungen bei der Energiewende aus. MDN-Geschäftsführer Höfer unterstrich demzufolge, dass die Versorgungssicherheit Deutschlands auch ohne Netzausbau nicht gefährdet ist. BN-Vorsitzender Weiger sah das genauso und betonte, Deutschland sei „das größte Stromexportland Europas“.

Kampf seit über vier Jahren

Die Bürgerinitiative „Bergrheinfeld sagt NEIN zu SuedLink und Folgeprojekten“ kämpft seit über vier Jahren gegen weitere Belastungen für die Gemeinde. Auf der Gemarkung Bergrheinfelds stehen bereits über 170 Hochspannungsmasten. Dazu soll nach aktuellen Planungen des Netzbetreibers TenneT, noch die Hochspannungsgleichstromtrasse „SuedLink“ kommen, die über Thüringen nach Bayern und durch den Landkreis Schweinfurt führen und dann in einer Stichleitung über das Gemeindegebiet Bergrheinfeld an eine Konverterstation angebunden werden soll. Vom Konverter soll dann eine Anbindung (Freileitung) an das neu errichtete Umspannwerk Bergrheinfeld West erfolgen. Die Pläne für SuedLink sehen vorrangig eine Erdverkabelung vor. SuedLink soll auf 800 Kilometer Länge als Erdverkabelung in ca. zwei Meter Tiefe gelegt werden. Das wird nach Darstellung der Bürgerinitiative langfristig die Bodenqualität zerstören, weil die Baumaßnahme für die Kabeltrasse unwiederbringlich die wasserführenden Schichten zerstören. Zudem gab die Bundesnetzagentur Ende 2017 bekannt, dass zwei weitere Drehstromtrassen – P 43 und P 44 – durch den Landkreis führen sollen. Diese sind laut Netzentwicklungsplan 2030 bereits genehmigt. Der Landkreis Schweinfurt hat mit Unterstützung aller Gemeinden darauf reagiert und eine eigene Resolution gegen weitere Stromtrassen initiiert. Für Bergrheinfeld konnte die Bürgerinitiative erwirken, das die Resolution auch die Stromtrasse SuedLink ablehnt.

Wie eine zehnspurige Autobahn

MDN-Geschäftsführer Höfer verglich die derzeitigen, von den Netzbetreibern voran-getriebenen Netzausbauplanungen mit zehnspurigen Autobahnen. Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜs) sollen dabei als „neue Technologie“ zur Übertragung mit „niedrigeren“ Übertragungsverlusten eingesetzt werden. Der europäische Marktliberalismus verlange Transportstrecken durch Deutschland, so Höfer.

So käme Solarstrom zukünftig aber am günstigsten aus Südeuropa, Windkraft aus dem Norden – im eigenen Land bleibe Strom aus regenerativen Energien auf der Strecke. Im Sinne des Klimaschutzes müsse sich dessen Anteil aber vervielfachen. Deshalb droht mit dem aktuellen Rechtsrahmen der dezentralen Energiewende der „Todesstoß“. Die Gesetze seien auf Investoren-Interessen zugeschnitten: TenneT gehört zu 100 Prozent dem niederländischen Staat, und hinter 50Hertz stünden australische und belgische Geldgeber. Infolge von Abgaben und Umlagen sei der Strom, im Vergleich zu Erdgas oder Kraftstoff, überproportional hoch belastet. Das würden vor allem Privathaushalte mit Preisen an der 30 Cent-Marke spüren. Andererseits entstünden durch den massiven Netzausbau Kosten von 50 bis möglicherweise sogar 100 Milliarden Euro. Was hinter all dem steht, brachte Höfer so auf den Punkt: „Die Energiewirtschaft will eine Anpassung an den europäischen Strommarkt – nicht an technische Erfordernisse.“ Höfer präsentierte ein positives Gegenmodell. Er forderte Investitionen in Speichertechnik wie Power to Gas, regionale Optimierungen und den Systemwechsel. Der Netzausbau dürfe sich nicht an der Produktion orientieren, so Höfer. Die Produktion müsse sich in Zukunft flexibel ans Netz anpassen. Aus diesem Grund, sind besonders auch die Verteilernetze und nicht nur die Höchstspannungsnetze zu betrachten. Auf Ebene der regionalen Energieversorger, finden diese Betrachtungen auch statt. Leider werden vom Bundeswirtschaftsministerium und auch von der Bundesnetzagentur lediglich die Höchstspannungsebenen betrachtet – ohne die Verteilernetze zu berücksichtigen. Die Höchstspannungsnetze in Deutschland, sind in der Hand von vier Unternehmen , die vor Jahren die staatseigenen Höchstspannungsnetze übernommen haben. Diese Netzbetreiber planen auch den Netzausbau auf Höchstspannungsebene, die uns mit der derzeitigen Situation konfrontieren.

Weiger geißelt „Geschmarre“ der Spitzenpolitik

BN-Chef Hubert Weiger geißelte – so seine Worte – „Das Geschmarre“ und die ökologische Inkompetenz der Spitzenpolitik. „Die Zeit läuft gegen uns“, so Weiger. Der Atomausstieg sei noch nicht geschafft. Er müsse schneller kommen, um ein Fukushima-Szenario zu verhindern. Ein Endlager für Atommüll sei nicht in Sicht. Weigers klare Forderung: „Raus aus Atom, raus aus der Kohle!“ Er kritisierte, dass finanziell Druck auf Bürger ausgeübt werde, sich aus der Nutzung regenerativer Energien zurückzuziehen. Hier benötige man endlich eine Grundsatzentscheidung der Politik: „Dezentral statt HGÜ!“ Vom designierten Ministerpräsidenten Markus Söder forderte Weiger eine Abkehr von der Seehoferschen 10H-Regelung bei der Windkraft. Die Übertragungsnetze, so der BN-Landesvorsitzende, müssten wieder in staatliche Verantwortung, wie Autobahnen und Schienen.

Bürgerinitiative-Sprecher Kolb: „Da kam einiges zusammen“

Norbert Kolb, Sprecher der Bürgerinitiative „Bergrheinfeld sagt NEIN zu SuedLink und Folgeprojekten“, betonte laut Medienberichten, dass die Gemeinde Bergrheinfeld in den letzten 30 Jahren schon über 250 Hektar Land verloren hat, und zwar für Gewerbe- und Wohngebiete, Umgehungsstraße und Autobahnen. „Da kam einiges zusammen.“ Das neue Umspannwerk frisst weitere 15 Hektar. Sollte ein Konverter für SuedLink geplant werden, sind weitere acht Hektar für die Anlage, sowie zusätzliche Freileitungsabschnitte zu befürchten. Die SuedLink-Trasse würde im Umsetzungsfall in der Gemarkung weitere zehn Hektar Ackerland in Anspruch nehmen. Über 80 Hektar der landwirtschaftlichen Flächen sind bereits heute überspannt, so Kolb. „Wohl fühlen Sie sich unter Strommasten nicht.“ Christian Göb von der Bürgerinitiative betonte, dass das Arbeiten auf einem überspannten bzw. mit Strommasten belegten Grundstück zeitlich höhere Aufwendungen nach sich zieht. Auch Kollisionen mit landwirtschaftlichen Maschinen sind auf diesen Flächen mit Strommasten möglich. Geringste Berührungen mit den Masten, können Schäden an landwirtschaftlichen Geräten hervorrufen.
Die Bürgerinitiative sieht Bergrheinfeld in den derzeitigen Planungen der Netzentwicklungspläne als „Bauernopfer“, und das unter dem Deckmantel der „Energiewende“.
Die Verantwortlichen der Initiative, die sich in den letzten Jahren intensiv mit den Hintergründen der derzeitigen Netzentwicklungspläne beschäftigen, erkennen in den Planungen und den aktuellen Rechtsrahmen den Willen zum „grenzenlosen und unbegrenzten Stromhandel“, der die Betroffenen „auf der Strecke lässt“.
Die von Netzbetreibern und Bundesnetzagentur eröffneten Verfahren (unter anderem SuedLink) zeigen vielen Menschen, dass die „hochgelobte Transparenz“ ein Fremdwort ist.
Unter dem Deckmantel „Energiewende“ werden von Netzbetreibern Planungen zu Netzausbaumaßnahmen vorangetrieben, die das Durchleiten von Strom auf den höchsten Spannungsebenen „barrierefrei“ ermöglichen sollen. Sollten diese Planungen umgesetzt werden, sind weitere Projekte noch ungeahnten Ausmaßes zu befürchten, da der Rechtsrahmen Stromtransporte bzw. benötigte Transportstrecken so hoch priorisiert, dass dieser Ausbau – unabhängig von Bedarf oder auch Notwendigkeit Vorrang hat. Die Initiative sieht hinter den gesetzlichen Grundlagen für diese Netzausbauplanung, eine von Konzernen der Energiewirtschaft erfolgreich geführte Lobbyarbeit, die Betroffene damit sozusagen vor „vollendete Tatsachen“ stellt. Der Handlungsspielraum für diese, beschränkt sich durch den grundsätzlichen Planungs- und Ausbauvorrang damit für viele sozusagen auf das „Sankt Florians-Prinzip“ (welches dann öffentlich kritisiert wird).

Bürgermeister Werner will es nicht akzeptieren

Bergrheinfelds Bürgermeister Ulrich Werner will es laut den Berichten nicht akzeptieren, dass „knapp 25 Prozent“ des künftigen deutschen Stromumschlags vor der eigenen Haustür stattfinden soll. Die Gemeinde sei vielfältig belastet, mit Autobahnen, Mülldeponien, Bahnstrecken, dem abgeschalteten Atomkraftwerk und jeder Menge bestehender Stromleitungen. Werner: „Wir stellen uns der Energiewende nicht in den Weg, aber sie muss gerecht auf alle Schultern verteilt werden.“
Die Situation stellt der Bürgermeister auch als unbefriedigend dar. Das neue Umspannwerk (zur Blindleistungskompensation) ist mittlerweile fast fertig. Das alte Umspannwerk sei für die Energiewende zu klein gewesen. Dem Anschein nach ist dieses Umspannwerk die Vorbereitung zu neuen Stromtrassen, wie SuedLink und Folgeprojekten (Konverter, sowie P43 und P44).
Die örtliche Politik, das machte die Veranstaltung deutlich, hat die Notwendigkeit des Handelns erkannt und will die Sensibilität in der Bevölkerung erhöhen, um so einen Politikwechsel zu erreichen.

Man habe dezentrale Lösungen in der Netzentwicklung prüfen lassen wollen, berichtete Eva Bulling-Schröter – Klimaexpertin der Linken in Bayern, das sei aber abgelehnt worden.
Der Schweinfurter BN Kreisvorsitzende Edo Günther forderte dazu auf, per Stimmzettel Einfluss auf die Politik zu nehmen.

Der Vortrag der Fa. N-ERGIE kann heruntergeladen werden unter:
Energiewende zum Erfolg führen