Schlepper-Konvoi und Protestmarsch: Bergrheinfeld macht mobil gegen Südlink-Trasse und Konverter-Planungen

 Ein deutliches Zeichen öffentlichen Protestes gegen die Planungen des Übertragungsnetzbetreibers TenneT zum Netzausbau setzte die Bürgerinitiative „Bergrheinfeld sagt NEIN zu Südlink und Folgeprojekten“ auf einer gemeinsamen Demonstration mit der Bürgerinitiative „A7 Stromtrasse NEIN“ sowie weiteren Südlink-Gegnern aus dem Landkreis Main-Spessart im Vorfeld einer Infoveranstaltung von TenneT.

Zu der geplanten Stromtrasse Südlink, die der Netzbetreiber TenneT vom schleswig-holsteinischen Wilster bis nach Bergrheinfeld bauen will, hat Armin Wahler einen klaren Standpunkt: „Die denken wohl: ,Wo schon ein Haufen ist, kann man auch noch weitere hinzufügen‘.“ Der Ortsvorsitzende des Bayerischen Bauernverbands (BBV) bezieht sich auf die ohnehin schon enorme Belastung der Region und vor allem der Gemarkung Bergrheinfeld – so unter anderem durch die Autobahnen (A70 und A71), die Bahnstrecke Bamberg-Rottendorf, die Kreis-Mülldeponie und durch das angrenzende Atomkraftwerk Grafenrheinfeld. Mögliche weitere Belastungen drohen auch durch ein immer wieder in den Medien genanntes Flutpolder an den Ufern des Mains, wo beste Böden betroffen wären.

Stromtrassengeflechte durch alle Flurteile

Wer sich um Bergrheinfeld umsieht, erkennt die bereits durch das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld vorhandenen Stromtrassengeflechte, die sich nahezu durch alle Flurteile ziehen – besonders stark im südlichen Teil der Gemarkung, hier kommen drei 380-Kilovolt-Wechselstromtrassen vom Kernkraftwerk Grafenrheinfeld an das bestehende Umspannwerk Bergrheinfeld an. 148 Strommasten sind auf der gesamten Gemarkungsfläche zu finden.

Die Erweiterung der bestehenden Trassen ist bereits beschlossene Sache, da Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) TenneT auf dem Gemeindegebiet Bergrheinfeld ein neues Umspannwerk baut und dies an anderer Stelle anbinden muss. Hierzu wurden neue Flächen, die aus der landwirtschaftlichen Nutzung stammen, aus der Erzeugung genommen. Es geht dabei um etwa 25 Hektar Flächen, wobei das neue Umspannwerk bereits zehn Hektar in Anspruch nehmen wird. ÜNB TenneT teilte mit, dass die Neuanlage in dieser Dimension notwendig sei, um nach Abschaltung des AKW Grafenrheinfeld die Blindleistungskompensation zu gewährleisten.

Wozu ein neues Umspannwerk?

Die Frage drängt sich jedoch auf, warum für eine zusätzliche Halle für einen Phasenschieber (Ausmaße circa 50 auf 20 Meter), der für die Blindleistungskompensation notwendig wird, ein komplett neues Umspannwerk (zehn Hektar) benötigt wurde. Laut einem Sprecher der Firma TenneT (Markus Lieberknecht in der Mainpost vom 26.11.2014) hat der Neubau des Umspannwerkes nichts mit den Trassenplanungen für Südlink etc. zu tun und wäre ohnehin notwendig geworden.

Bereits aktuell liegt die überspannte Fläche um Bergrheinfeld bei ca. 85 Hektar (inklusive Umspannwerke). Weitere 25 bis 30 Hektar sind seit dem 1. Januar 2016 in den Besitz des Übertragungsnetzbetreibers übergegangen. Mittlerweile plant TenneT im Umfeld des Umspannwerkes einen Konverter zur Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Protest-Datum nicht zufällig gewählt

Bei der Demonstration am 22. Juni 2016 und der anschließender Protestkundgebung in Bergrheinfeld machten die Stromtrassen-Gegner, organisiert durch die Bergrheinfelder Bürgerinitiative „Bergrheinfeld sagt NEIN zu Südlink und Folgeprojekten“ ihrem Ärger Luft. Ort und Datum waren nicht zufällig gewählt: An diesem Tag veranstaltete TenneT im Bergrheinfelder Zehnthaus eine sogenannte „Bürgersprechstunde Konverter“, bei dem Bürger über die geplante Anbindung der Stromtrasse Südlink informiert werden sollten.

40 hupenden Traktoren – Unterstützung auch aus Nachbarlandkreis

Fußgruppen der Bürgerinitiativen „A7 Stromtrasse NEIN“ sowie Südlinkgegner aus dem Landkreis Main-Spessart marschierten den rund 40 hupenden Traktoren, einigen Pkws und klingelnden Fahradfahrern voraus. Der Protestzug, ausgestattet mit Plakatschildern, Bannern und Fahnen gegen Südlink und Folgeprojekte, zog vom Ortseingang, von Schweinfurt kommend, durch den langgestreckten Ort bis zum Veranstaltungsort am Zehnthof. Entlang der Schweinfurter Straße und der Hauptstraße, feuerten zahlreiche Bergrheinfelder die Demonstranten unterstützend an. In unmittelbarer Nähe zur TenneT-Veranstaltung im Zehnthof brachten die Trassengegner ihre Ablehnung zu Südlink und dem geplanten Konverter klar zum Ausdruck.

„Wir akzeptieren die Lügen des Netzbetreibers TenneT nicht mehr und fordern von den Verantwortlichen – nämlich der Bundesnetzagentur, dem Übertragungsnetzbetreiber und der Politik – vehement den Bedarfsnachweis, für Südlink“, sprach Mitinitiator Armin Wahler ins Megafon. „Wir stellen diese Gleichstromtrassen, wie auch die geplanten Wechselstromtrassen generell in Frage, die nichts mit der Energiewende zu tun haben, da Kohlekraftwerke unvermindert weiter Strom produzieren und damit die deutschen Stromnetze verstopfen“.

Frevel an Natur und Mensch

Die Demonstranten seien der Ansicht, dass die Energiewende vor Ort stattfinden müsse, so Wahler weiter, der betonte: „Es kann nicht sein, dass solch ein Frevel an der Natur und am Menschen verübt wird, wenn wir die Trasse am Ende gar nicht brauchen.“

Die Trassengegner sehen hinter den Planungen des Netzausbaus eine aufwendige Lobbyarbeit, die hinter der aktuellen Bedarfsplanung steckt. Es geht für die Trassengegner nicht nur um den Konverter bzw. die Stromtrasse Südlink die zur „Beruhigung der Bevölkerung“ nun weitgehend als Erdkabel, also für die Menschen zunächst nicht sichtbar geplant werden soll, sondern um grundsätzliche Entscheidungen in der Energiepolitik, die überzogene Netzausbauszenarien deutlich machen.

„P43“ und „P44“ bleiben eine Bedrohung

Es geht auch um die weiteren 380-Kilovolt-Trassen, die der Netzbetreiber TenneT bereits im Netzausbauplan gefordert und teilweise von der Bundesnetzagentur bestätigt bekommen hat. Dies ist zum einen das Vorhaben „P43“ von Mecklar nach Bergrheinfeld, zum anderen geht es um das Vorhaben „P44“ von Schalkau nach Grafenrheinfeld.

Beide Projekte stellen jeweils zusätzliche Trassen dar. Zwar ließ die CSU mehrfach verlauten, dass diese Planungen für den Netzverknüpfungspunkt Berg-/Grafenrheinfeld verhindert werden konnten, doch bleibt dies nach (dem) Aussetzen des aktuellen Netzentwicklungsplanes weiter offen. Sollten diese Vorhaben umgesetzt werden, würde nicht nur die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen „schwieriger“, es würde echte Lebensqualität verloren gehen, da am Horizont das allgegenwärtige Umspannwerk und möglicherweise der Konverter grüßen würden.

Es gibt Alternativen

Die Demonstrationsteilnehmer zeigten sich davon überzeugt, dass eine ernsthafte Überprüfung möglicher Gesundheitsrisiken durch eine 500–Kilovolt-Höchstspannungsleitung – geschweige denn durch Konverterstationen in der geplanten Größenordnung – bislang nicht stattgefunden hat. Weder die Netzbetreiber, noch die Bundesnetzagentur hätten Erkenntnisse zu dem Leitungsvorhaben mit 500000 Volt Gleichspannung, so die Trassengegner. Bei den weiteren Ausbaustufen (Gleich- und Wechselstromtrassen) könne es nicht gesund sein, von allen Richtungen mit großen Stromtrassen frequentiert zu werden.

Besonders fürchten die Trassengegner den Einfluss der Gleichstromfelder, auf den Orientierungssinn und das Flugverhalten der Bienen, die durch die Gleichfelder, die in unmittelbarer Nähe zu Konvertern bestehen, abgelenkt und die Orientierung verlieren könnten.

Soll auch Kohlestrom durch Südlink?

Die Demonstranten wiesen auf den aktuellen Zubau von Steinkohlekraftwerken mit einer Gesamtleistung von zirka 3,4 Gigawatt bis 2018 hin. Die Aussage eines TenneT-Mitarbeiters, „man sehe dem Strom seine Herkunft nicht an“, ist aus Sicht der Trassengegner ein eindeutiges Indiz dafür, dass nicht nur Windstrom über Südlink geleitet werden soll. Die Behauptung von TenneT, Südlink sei eine reine Windstromleitung, sehen die Trassengegner als eine bloße Marketing-Strategie an, um die Bürger in Unkenntnis über die wahren Absichten zu lassen.

Die direkte Anbindung der sogenannten „Nordlink“ Leitung an den Beginn des Südlinks sehen die Trassengegner äußerst kritisch. Diese Leitung wird in der Nordsee – von Skandinavien kommend – an den Südlink angebunden, um weiteren Stromtransit zu gewährleisten. Die Südlinkleitung(en) sollen laut TenneT im Umsetzungsfall zunächst 2 Gigawatt nach Bergrheinfeld und 2 Gigawatt nach Großgartach in Baden-Württemberg transportieren. Aus Sicht der Trassengegner ist es schizophren, Strom über 800 Kilometer auf dem Weg durch Nord- und Mitteldeutschland herzuleiten – vorbei an Kohlekraftwerksmeilern, die im Ruhrgebiet liegen und den CO2-Ausstoß „hochhalten“ – und das alles nur, um möglicherweise weitere Stromexporte zu gewährleisten? Schon heute exportiert Deutschland über 50 Milliarden Kilowattstunden ins Europäische Ausland – dieser Wert steigt bisher jedes Jahr weiter, obwohl bereits acht Kernkraftwerke seit 2011 nicht mehr am Netz sind.

Die zügige Umsetzung der Netzausbauprojekte fußt für die landwirtschaftlichen Vertreter auf falschen Erkenntnissen aus Lobbyarbeit und der vermeintlich unabdingbaren „hohen Geschwindigkeit“ in den Entscheidungsprozessen.

Scheinheilige Rufe nach „sicherer Energieversorgung“

Aus Sicht der Trassengegner ist es scheinheilig, wenn die Industrie stets nach „sicherer Energieversorgung“ und dem angeblich „notwendigen Netzausbau“ ruft, wenn gelichzeitig die technischen Möglichkeiten der Erneuerbaren Energien, der Speichertechnologien und auch die regionalen Anstrengungen der Energieerzeugung bei der Bundesnetzagentur unzureichend Beachtung finden.

Dieses Desinteresse teilt offenbar auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, der im Jahr 2014 meinte, dass in Norddeutschland durch den Zubau an Erneuerbaren Energien enorme Mengen an Leistung – nämlich 9000 Megawatt – erzeugt würden, die dort nicht benötigt würden. Homann will den Strom anscheinend einfach durch neue Leitungen wegtransportieren.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der von der Bundesnetzagentur auf einem Infomarkt in Bergrheinfeld bereits 2014 bestätigt wurde, ist die Tatsache, dass man sich bisher nicht ausreichend um Erkenntnisse bemüht, die den Transport der Energiemengen in umgewandeltem Wasserstoff (durch die Power-to-Gas-Methode) im deutschen Gasnetz ermöglichen könnten. Die Bundesnetzagentur habe zwar auch das deutsche Gasnetz in der Verantwortung, jedoch sei dies „eine andere Abteilung“, hieß es auf dem Infomarkt. Die Trassengegner haben den Eindruck, dass man hier innerhalb der Bundesnetzagentur nicht miteinander spricht. Die Umwandlung überschüssiger Strommengen durch Elektrolyse (Power to Gas) zu Gas ist bereits heute möglich (ein Beispiel sind hier die Audi in Werlte).

Was von der angeblichen „Wende“ der CSU beim Netzausbau zu halten ist

Klaus Endres, ebenfalls Vertreter der Bergrheinfelder „Bürgerinitiative gegen Südlink und Folgeprojekte“ machte bei der Protestaktion deutlich, was die Initiative von der angeblichen „Wende“ der CSU in der Frage zum Netzausbau hält. Er kritisierte den Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Franz Josef Pschierer, der die Frage nach der Notwendigkeit von Gleichstromtrassen nach Bayern für beendet erklärt hatte und damit jegliche Diskussion zu diesem Thema jüngst bei einem Treffen von Kommunalpolitikern mit dem Netzbetreiber TenneT entschieden abgelehnt hat.

Endres warf der Staatsregierung vor, in den sogenannten Dialogveranstaltungen (Runder Tisch mit der Schweinfurter CSU-Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber) nicht ergebnisoffen zu agieren, sondern gegenüber Wirtschaftsvertretern ohne jeglichen Beweis von der Notwendigkeit und von der Alternativlosigkeit eines Netzausbau in Sachen Südlink auszugehen.

Rendite-Zusicherung für TenneT von der Bundesregierung

So beschreibt dies auch der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Schweinfurt, Edo Günther, der mitteilte, dass dem Netzbetreiber TenneT eine Rendite von 9,05 Prozent für Netzausbaumaßnahmen von der Bundesregierung zugesichert werde.

Günther betonte, dass auch der BUND Naturschutz den geplanten Netzausbau vehement ablehne, da dieser nicht zum Erreichen der Klimaschutzziele beitrage, sondern im Gegenteil dem Europäischen Stromhandel mit Kohle- und Atomstromenergie den Vorrang gebe. Auch habe der Bayerische Energiedialog gezeigt, dass neue Stromleitungen nicht notwendig seien, um Bayerns Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Vielmehr seien Anstrengungen im Bereich „Dezentraler Energieversorgung“ notwendig, die die Staatsregierung bisher vermissen lasse.

Immer mittwochs: Bürgerinitiative-Treffen im „Weißen Roß“

Die Moderation der Protestkundgebung hatte der Sprecher der BI Norbert Kolb, der auch kurz die Widerstandsarbeit der Initiative seit 2013 beschrieb und zu den monatlichen Treffen (jeweils am letzten Mittwoch im Monat) im Bergrheinfelder „Gasthof zum Weißen Roß“ einlud. Seitens der Bürgerinitiative wurden die benannten Forderungen an die Adresse der Politischen Vertreter gerichtet.

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